Tagesausflug nach Warschau - beeindruckende Moderne trifft auf bedrückende Geschichte

Heute führte uns ein Tagesausflug nach Warschau, ein absolutes MUSS für unseren Schüleraustausch, auch wenn dies zehn Stunden Busfahrt bedeutete. Die Busfahrt wurde zum Schlafen, Ausruhen, Quatschen, Singen und Diskutieren genutzt, sodass die Zeit recht schnell verging.

 

Warschau, die polnische Hauptstadt an der Weichsel und die neuntgrößte Stadt der EU, entdeckten wir zunächst in einer dreistündigen Stadtführung. Dabei wurde uns deutlich, dass Warschau nicht nur zu den wichtigsten Wirtschaftszentren in Mittel- und Osteuropa gehört, was u.a. an den vielen Banken und Wolkenkratzern sichtbar wurde, sondern auch eine große kulturelle Bedeutung zukommt. So ist die Altstadt von Warschau ein UNESCO-Weltkulturerbe. Das besondere daran ist, dass die historische Altstadt nicht im Original zu sehen ist, weil Warschau im Zweiten Weltkrieg zu 85% zerstört wurde, die Menschen diese aber nach der Befreiung durch die Alliierten sofort wieder aufgebaut haben und sich dabei sehr stark an das Original gehalten haben. Dies zeigt, welch eine Kraft und Hoffnung die Polen hatten und deutlich machten: wir lassen uns unsere Geschichte und unsere Zukunft nicht nehmen.

 

Wir gehen ein Stück des sogenannten Königswegs entlang. In Warschau wird dieser auch als Königstrakt (Trakt Królewski) bezeichnet und verläuft vom südlichen Ende der Altstadt, wo sich das Königsschloss am Schlossplatz befindet, bis nach Wilanow zum dortigen Schloss (rund 10 km).

 

In der Altstadt fühlt man sich wie in eine frühere Zeit zurückversetzt, was besonders auch an den kleinen Gassen liegt. Im Mittelpunkt der Altstadt liegt der schöne Marktplatz mit seinen vielen Restaurants und Cafés, die vornehmlich polnische Spezialitäten anbieten. Man sieht hier auch Drehorgelspieler und Porträtmaler. In der Mitte des Marktplatzes stand einst das Rathaus, es wurde aber 1817 abgerissen. Seit 1855 findet man an gleicher Stelle eine Meerjungfrau, die das Warschauer Stadtwappen darstellt.

 

Bedrückend ist vor allem die jüdische Geschichte in Warschau. Zum Zeitpunkt des Einmarsches der deutschen Truppen in Polen im September 1939 lebten gut 350.000 Juden in Warschau. Es handelte sich um die zweitgrößte jüdische Gemeinde der Welt. Sie lebten zumeist in den Stadtbereichen westlich der Alt- und Neustadt, dieser Bereich bildete später das Warschauer Ghetto. Wer als Jude außerhalb des Ghettos wohnte, musste 1940 in das Ghetto umsiedeln. Es wurden aber auch Juden aus anderen, von dem NS-Regime kontrollierten, Regionen hierher gebracht. Ab November 1940 entstand eine 18 Kilometer lange und drei Meter hohe Mauer, die das Warschauer Ghetto vom Rest der Stadt abriegelte. Die Zahl der Menschen, welche im Ghetto lebten, erhöhte sich in der Spitze auf weit über 400.000. Die Lebensumstände waren furchtbar: Hunger, Zwangsarbeit, Enge, Epidemien und Seuchen bestimmten den Alltag der jüdischen Menschen und viele Menschen kamen dabei ums Leben. Im Jahr 1942 wurde das Jüdische Ghetto nach und nach aufgelöst. Die meisten jüdischen Menschen wurden in Konzentrationslager gebracht. Ein halbes Jahr später sollen noch gut 50.000 Menschen im Warschauer Ghetto gelebt haben. Am 19. April 1943 sollte der verbleibende Teil des Ghettos aufgelöst werden, die Bewohner leisteten dabei heftigen Widerstand, der aber gegen die Wehrmacht erfolglos war. Das Denkmal der Ghettohelden (Pomnik Bohaterów Getta) erinnert an diese bedrückende Geschichte. Hier fand auch der berühmte Kniefall von Willy Brandt statt. Später entstand direkt davor das Museum der Geschichte der polnischen Juden.

 

Unsere Stadtführung endet am Kultur- und Wissenschaftspalast. Dieser ist ziemlich umstritten, denn für eine Vielzahl von Menschen gilt er als unbeliebtes Symbol der fast 45 jährigen Unterdrückung durch die Russen. Anderseits erfreut man sich am Anblick des 230 Meter hohen Gebäudes und seiner Einrichtungen, wie Kino, Theater, Kongresssaal und Museen.

 

Insgesamt ist Warschau einfach eine Stadt, die durch ihre Unterschiede begeistert.

 

Den Tag in Warschau lassen wir in den Zlote Tarasy (Goldene Terrassen) ausklingen. Dies ist ein riesiges Einkaufs-, Unterhaltungs- und Bürozentrum, welches architektonisch kühn eingesetzt ist zwischen dem Bahnhof und dem stalinistischen Kulturpalast. Wir nutzen unsere drei Stunden Freizeit und machen die Restaurants und Geschäfte unsicher.

 

Bevor es nach Grodzisk W. zurück geht, werden noch eine Reihe von Gruppenfotos geschossen und besonders Herr Riemer stand bei den polnischen Mädels als Fotomotiv hoch im Kurs, was vielleicht auch daran liegt, dass es an der polnischen Schule nur drei männliche Lehrer gibt - oder sollte es doch an etwas anderem liegen? :-).

 

Es war ein toller Tagesausflug: Warschau: eine Stadt der Gegensätze, eine Stadt die man unbedingt mehrmals besuchen muss, denn wir haben noch lang nicht alles gesehen. Also, Warschau: Wir kommen gerne wieder.

 

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